Hermann Radvan
Manuskript für CISTOPEDIA, 2007
Bauten und Bäume setzen charaktervolle Akzente
Von welcher Seite auch ein Wanderer sich dem ummauerten Bezirk nähert, immer brennt sich ein Kontrast aus sattem Grün und leuchtendem Ziegelrot dem Auge ein.
Ein Kloster sollte, bevor man es betritt, umschritten werden. Nur so erschließt sich einem dieser Ort des Mittelalters mit seinen Backsteinbauten, langen Fensterfassaden, den streng geordneten Gartenflächen mit prächtigen Baumgestalten und gepflegten Wirtschaftstrakten.
Das fernab der großen Straßen gelegene Kloster Isenhagen gehört als ehemaliges Zisterzienserkloster seit der Reformationszeit zu jener Gruppe von sechs evangelischen Damenstiften, die auch als Heideklöster bezeichnet werden.
Der dritte Ort erst war von Dauer
Herzogin Agnes , die Schwiegertochter Herzog Heinrichs des Löwen, übergab im Jahre 1243 das Dorf Alt-Isenhagen an den Abt von Riddagshausen zur Gründung eines Zisterzienserklosters. Ein Brand vernichtete das Kloster im Jahre 1259 nahezu vollständig. Bischof Johann von Hildesheim übergab noch im selben Jahre dem Isenhagener Konvent das 1125 bei Hildesheim gegründete Kloster Baccenrode, womit dann hier eine zisterziensiche Tradition bis zum Jahre 1806 in dem fortan Marienrode genannten Kloster begründet wurde.
Im Jahre 1327 erfolgte ein Klosterneubau im nahen Orte Hankensbüttel für einen Frauenkonvent von Zisterzienserinnen. Nach Brandzerstörung errichtete man schließlich das Kloster Isenhagen seit 1345 an seinem jetzigen Standort.
Trotz Pest und Feuer wieder auferstanden
Infolge der fürchterlichen Pest, die sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts auch in Norddeutschland ausgebreitet hatte, wurde der Baufortgang jäh unterbrochen. Fehlende Gewölbe im Kreuzgang und die schlichte Holzdecke der Kirche lassen heute noch die unvollendete Bauausführung erkennen. Der Ostflügel des Kreuzganges erfuhr die Einwölbung 1518. Zusammen mit dem seit 1987 wiederhergestellten Kapitelsaal bildet er mit den sechs gotischen Fenstern und einem Schmuckfußboden darin sowie den Konsolen und Schlusssteinen einen gestalterischen Höhepunkt der Kreuzganganlage.
Nach Einführung der lutherischen Lehre im Fürstentum Lüneburg durch Herzog Ernst seit dem Jahre 1527 wurde das Klosterleben 1540 beendet und ein evangelisches Damenstift eingerichtet. Wesentliche Veränderungen erfuhren die Konventsgebäude nach einem Brand von 1721 durch die Neuerrichtung des südlichen und westlichen Kreuzgangflügels in barocker Bauweise.
Kirche und Chor der Nonnen mit Kunstwerken reich ausgestattet
Vom Nonnenchor blickt man in den Kirchenraum, der mit flacher Holzdecke, einem Braunschweiger Altar mit 16 Figurengruppen und einer aufwändig geschnitzten Kanzel, die das Kloster 1684 von der Stadt Celle erworben hatte, kontrastreich gestaltet ist. In eigenwilliger Form präsentiert sich die auf dem zierlichen Deckel von Christus und Johannes dem Täufer bekrönte , ca. 2,70 m hohe Holztaufe, eine Stiftung des Amtmannes Kichler von 1621.
Über einen Dormitoriumsgang , der mit Stollentruhen und zahlreichen Wandschränken einen Eindruck von der Zimmermannskunst vom 14. bis ins 16. Jahrhundert vermittelt, gelangt man auf den Chor der Nonnen. Ein an drei Seiten verlaufendes Chorgestühl schließt neben dem Eingang mit einer hohen Wange ab, die eine überlebensgroße Gestalt des Christophorus darstellt. Eine friesartige Bildreihe aus dem 17. Jahrhundert mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament verläuft oberhalb der 53 Sitze des schlichten Chorgestühls.
Beachtenswert ist ein Lesepult mit gedrechselten Stäben, ursprünglich Sitz der Herzogin Agnes, Stifterin des Klosters. Dieser Thron wurde um 1200 angefertigt und Mitte des 13. Jahrhunderts zu einem Lesepult umgebaut.
Der Braunschweiger Marienaltar von ca. 1515, eine Holzplastik des betenden Christus sowie eine Gottvaterskulptur und eine Marienklage in vorzüglicher Fassung sind weitere eindrucksvolle Ausstattungsstücke dieses auch heute noch regelmäßig genutzten Raumes.
Die Gärten sind ein kostbarer Schmuck
Die Gärten des Klosters Isenhagen wurden immer schon als ein Kleinod betrachtet und in besonderer Weise gepflegt. Die Klostergebäude und Gärten waren im Laufe der Jahrhunderte einer wechselvollen Nutzung ausgesetzt. Zum Beispiel dienten nach dem zweiten Weltkrieg die zweieinhalb Morgen umfassenden Gartenflächen dem Anbau von Kartoffeln und Gemüse.
Seit dem Jahre 2003 haben die Klostergärten eine erfreuliche Aufwertung erfahren. Durch Fördermittel verschiedener Institutionen , insbesondere durch die Klosterkammer Hannover, wurde eine Bestandsaufnahme der historischen Gartenstruktur aus dem Jahre 1750 sowie deren Ergänzung und Wiederherstellung als Obst- und Gemüsegarten mit zusätzlichen Rasenflächen und Blumenbeeten ermöglicht. Schnurgerade Buchsbaumreihen geben dem Areal ein typisch barockes Gepräge.
Auch heute noch dient der Gemüsegarten der Gemeinschaftsversorgung der Konventualinnen. Seit altersher hat jede Stiftsdame ein eigenes Stück Garten zu pflegen, welches in sehr individueller und liebevoller Weise wahrgenommen wird. An der Nordseite des Klosters wird ein Kräutergarten durch den Landkreis Gifhorn betreut.
Einblick in ein Schatzhaus
Die Textilkunst des Klosters ist mit anderen Kostbarkeiten in einem Museum ausgestellt. Die Stickereien, zwischen 1300 und dem Ende des 15.Jahrhunderts entstanden, repräsentieren eine Entwicklungsgeschichte der gotischen Stickerei und überraschen durch die Vielfalt der Techniken und die Motivwahl.
So können Seidenstickereien auf Leinen in farbenprächtiger Ausführung mit Wappen und Köpfen sowie mit symbolischen Tieren und Seitenbehänge für den Altar als Weißstickerei mit schwarzen Konturen bewundert werden. Eine über drei Meter lange Leinendecke mit Rauten und Rosetten diente als Hungertuch, eine weitere Weißstickerei bildet in Achtpässen thronende Könige und Tierpaare ab.
Hervorzuheben sind die Reliefstickerei von einer Kasel und ein Antependium mit der Einhornjagd als Seidenstickerei auf purpurfarbenem Tuch.
Als eine Besonderheit in der textilen Schatzkunst des Klosters können zwei Fürleger gelten, die als Zierüberhänge vom Altartuch vorne herabhingen und dieses durch ihr Gewicht spannten. Das eine Exemplar besteht aus rot gefärbtem Ziegenleder, auf das Medaillons mit Köpfen Christi, der Muttergottes und der Apostel montiert sind, alle gestickt aus Korallen, Flussperlen und bunten Glasperlen. Hinzu kommen aus Silber gepresste und vergoldete Schmuckbleche mit Reliefs aus dem Leben Christi.
An die berühmte Äbtissin Katharina von Hoya , die gleichzeitig Äbtissin der Klöster Wienhausen und Isenhagen war, erinnert ein von ihr gestifteter Kelch aus vergoldetem Silber, der mit Halbedelsteinen und einem Marienbildnis aus Perlmutt geschmückt ist.
Diese Beispiele mögen zeigen, wie sehr sich ein Besuch des Klosters Isenhagen und seines Museums lohnt.
Kloster Isenhagen : Chance und Perspektiven
Das ehemalige Zisterzienserkloster abseits der großen Straßen hält in seiner von der Natur geprägten Umgebung für den Besucher manche Überraschung bereit. Doch ist es wirklich nur eine Idylle in der Heide, ein Ort der Stille, der Kunst und Kontemplation, verharrend im Dornröschenschlaf ?
Die Entdeckung des Klosters Isenhagen als Stätte lebhafter Kommunikation, des qualifizierten kulturellen Angebots mit musikalischem Profil, Lesungen, Vorträgen und Kunstausstellungen hat längst begonnen. Ein Projekt „Kultur im Kloster“ findet zunehmend Beachtung und Resonanz.
Geplant sind kulturelle und gesellschaftliche Aktionen, in die nicht genutzte Gebäude des Klosters einbezogen werden könnten. Die Stichworte der nächsten Jahre lauten: Cafe für Kontakte, Bildung für Behinderte und ein Markt für Handel, wobei ein vierteljährlich stattfindender Klostermarkt für regionale Produkte vorstellbar erscheint.
Die Überschrift für ein neues Kapitel in der Jahrhunderte alten Geschichte des Damenstiftes Isenhagen könnte lauten: ein Kloster auf dem Weg in die Zukunft!
Literaturverzeichnis zu Kloster Isenhagen
Gerd Ahlers
Weibliches Zisterzentum im Mittelalter und seine Klöster
in: Niedersachsen, Berlin 2002
Horst Appuhn
Bilder aus Kloster Isenhagen
Königstein im Taunus, 1989
Horst Appuhn
Kloster Isenhagen
München , Berlin , 1989
Ida- Christine Riggert
Die Lüneburger Frauenklöster
Hannover, 1996
Alheidis von Rohr
Mittelalterliche Perlstickereien aus Niedersachsen
in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 57, 1989
Dieter Zimmerling
Von Zeit und Ewigkeit, die Lüneburger Frauenklöster
Braunschweig, 1995